Es war der 02. Dezember. Schorsch Weihnacht, von seinen Mitmenschen auch Weihnachtsschorsch genannt, machte sich wie jeden Tag um ca. 7:43 Uhr auf den Weg in die Schule. Wie schon gesagt Schorsch ging gerne in die Schule. Er war der Ansicht, dass es nur von Vorteil sein konnte selbständig lesen, schreiben und rechnen zu können. Überhaupt war es wohl nie verkehrt wenn man zumindest ein bisschen was von der Welt wusste, Seine Lehrerin nannte dies "ein gutes Allgemeinwissen haben".
Der Unterricht begann um Punkt 8:00 Uhr. In der ersten Stunde hatte die Klasse Deutsch, danach Mathe. Nach der Pause hatten sie Frl. Ratten-Scharf. Schorsch folgte ihrem Unterricht sehr gerne. Das Fach welches sie unterrichtete war Ethik. Heute ging es um Aufgaben. Genauer gesagt Menschen und ihre Aufgaben. Frl. Raten-Scharf sagte nämlicht: "Wisst ihr, es verhält sich mit uns den Menschen also folgendermaßen: Jeder Mensch braucht eine Aufgabe, ein Ziel, etwas für dass es sich lohnt zu arbeiten und morgens aufzustehen. Menschen die keine Aufgabe haben werden sehr sehr unglücklich, manche werden sogar krank. Deshalb ist es auch für jeden einzelnen von euch wichtig, dass ihr euch Ziele steckt, euch Aufgaben sucht."
Die Unterrichtsstunde von Frl. Ratten-Scharf machte Schorsch sehr nachdenklich. Überhaupt war er seit gestern sehr nachdenklich. Seitdem er sich geschworen hatte, diesen Advent zu etwas ganz besonderem zu machen. Er lief nach Hause und sprach zu sich selbst: "Menschen brauchen Aufgaben. Klingt logisch! Menschen die keine Ziele haben werden unglücklich oder krank... Vielleicht geht es meinem Vater so? Ich werde ihm eine Aufgabe geben!"
Bevor Schorsch seinen Vater aufsucht, sollte ich nun aber doch eine kleine Beschreibung über ihn abgeben. Vater Weihnacht war genau genommen das absolute Gegenteil von Mutter Weihnacht. Er war ziemlich klein und verdammt dünn. Seit Jahren lebte er in der Garage neben seiner Werkbank. Es war ja so, dass seine Frau unsagbar dick war und das Bett nicht mehr verlassen konnte. Ihm blieb schlicht und ergreifend kein Platz dort. Also hatte er eines Tages einfach beschlossen in die Garage zu ziehen. Da er außerdem so klein und dünn war konnte es schon passieren, dass man ihn dort einfach nicht mehr fand. Außerdem hatte er keine Aufgabe. Er verbrachte seine Zeit komplett in der Garage. Was er dort machte war nicht bekannt.
Schorsch hatte also beschlossen seinem Vater eine Aufgabe zu beschaffen, und wollte ihn gleich nach der Schule besuchen. Langsam öffnete er die quietschende Tür der Garage. Drinnen war es düster. Ihm einfallenden Licht konnte man den Staub tanzen sehen. Schorsch rief: "Papa? Bist du hier irgendwo?" Er erhielt keine Antwort. Langsam begab er sich mit vorsichtigen Schritten immer weiter in die Garage. Ihm fiel auf, dass er schon sehr sehr lange nicht mehr dort gewesen war. Um ehrlich zu sein konnte er sich gar nicht mehr daran erinnern wann er seinen Vater das letzte Mal zu Gesicht bekommen hatten. Vielleicht war es an Ostern? Alles war staubig hier, fast sah es so aus als hätte sich seit Jahrzehnten kein Mensch mehr hier hin verirrt. Er rief noch einmal: "Papa!". Ein leises Rascheln, dann flüsterte ein zerbrechliches zartes Stimmchen: "Ja? Schorsch bist du es?", "Hallo! Ja Papa ich bin's! Wie geht's dir!", "Ach, weißt du mein Sohn, mir geht es miserabel. Ich sitze hier tagaus tagein und weiß nicht was ich tun soll.", "Papa weißt du was... Es ist doch bald Weihnachten. Und ja, unsere Familie ist ziemlich chaotisch und auch ein bisschen zerstritten, aber wär es nicht schön wenn wir alle einladen würden? Ich wünsche mir so ein richtig großes Familienfest!", "Ach ich weiß nicht so recht mein Sohn." Sagte noch sein Vater, doch Schorsch war schon so begeistert von seiner Idee dass er rief: "DU! Du Papa machst die Einladungen!".
Und plötzlich geschah etwas seltsames. Die trüben Augen des Vaters bekamen einen fremden Glanz und er meinte: "Oh ja! Ich werde mich um die Einladungen kümmern. Ich habe auch schon Ideen wie ich sie schreiben könnte. Alle, alle Verwandten werde ich einladen! Aber ob alle kommen werden?"
Ja, ob alle kommen werden, dass wird man erst an Heilig Abend sehen. Für heute sei erst mal gesagt, dass Schorschs Vater sehr glücklich mit seiner Aufgabe ist. Endlich hat er was zu tun und weiß dass er gebraucht wird.
Schorsch jedenfalls war sehr glücklich. Das war sein zweiter Dezember und seine zweite Geschichte. Er beschloss, während er abends im Bett lag, morgen seine chaotische Tante Tilly zu besuchen.
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