Draußen schneite es zur Abwechslung mal nicht. Dafür tropften dicke Regentropfen vom Himmel. Es war der 05. Dezember, und der zweite Advent. Schorsch lümmelte in seinem Bett. Er hatte sich heißen Kakao mit Sahne gemacht und betrachtete in Gedanken die zwei Kerzen die auf seinem Nachtkästchen standen.
In den letzten Tagen hatte er sehr viel nachgedacht. Über sich und seine Familie. Diese war wie bereits erwähnt recht zerstritten, was nicht zuletzt auf die besonderen Wesenszüge der einzelnen Personen zurück zu führen war. Nun lebte er schon seit drei Jahren mehr oder weniger alleine mit seiner Mutter hier in der Wohnung. Sein Vater hatte sich die Garage gewählt und sein Bruder wurde damals auf den Dachboden verschickt. Seine Mutter schickte ihn sehr oft an irgendwelche Arbeiten zu erledigen, ja eigentlich erledigte er die komplette Hausarbeit. Aber das störte ihn nicht sehr. Im Gegenteil eigentlich machte er es gerne denn auch beim Putzen und Kochen fielen ihm immer tolle Sachen ein.
Mittlerweile war er so voller Vorfreude auf Heilig Abend, dass er in jeder freien Minute weiterplanen wollte. So ein Adventssonntag bot sich also an. Er hatte Einladungen, Musik und Plätzchen. Da fehlte ja noch so einiges... Am wichtigsten erschien Schorsch jedoch die Beschaffung eines Weihnachtsbaumes. "Eine Weihnachtsfeier ohne Baum ist wie Kakao ohne Kakaopulver!" sagte er laut zu sich und trank seine Tasse leer. Wen sollte er mit dem Baum beauftragen? Seinen Vater? Aber der hatte ja schon die Einladungen. Seine Tante? Nein, die sollte schon Plätzchen backen. Seinen Bruder? Sicherlich nicht, der sollte Weihnachtslieder üben. Vielleicht sein stinkender Onkel, väterlicherseits, Eusebius...
Ja das war eine gute Überlegung. Eusebius bewohnte eine kleine selbstgezimmerte Hütte im Wald. Er hatte also keine Schwierigkeiten an einen Baum zu kommen. Schorsch fand seine Idee gut, doch dann dachte er wieder an das alte Problem welches die meisten Menschen mit Eusebius hatten (zumindest die die riechen konnten).
Eusebius stank im wahrsten Sinne des Wortes zum Himmel. Keiner wusste wieso, die Ärzte wussten keinen Rat darauf, es war einfach so. Deshalb hatte er auch die Einsamkeit des Waldes gewählt, denn da fiel es ihm selbst gar nicht mehr so auf dass die Leute ihn mieden. Anders als in der Stadt, da stand er immer allein und die anderen stierten ihn mit gerümpften Nasen an. Jedoch lernte er mit den Jahren im Wald die Einsamkeit zu schätzen. Er fühlte sich sogar wohl denn hier störte ihn keiner.
Schorsch war schon fast bei seinem Onkel im Wald angekommen, da vernahm er einen leicht moderigen Geruch. Es kam ihm aber nicht sonderlich schlimm vor, ein wenig moderig riecht es in Wäldern schließlich immer. Langsam ging er weiter in den Wald hinein und hoffte die Hütte nicht zu verfehlen. Die einströmende Geruchswolke wurde immer heftiger. Der Moder bekam jetzt einen nach Biomüll-riechenden Beigeschmack und plötzlich mischte sich noch ein Hauch von Aas und Käsefüßen mit hinein. Als dann noch drei-Wochen-alter Schweiß und im warmen-Auto-vergessener Limburger die Runde machten wußte er, er war am Ziel.
Vor ihm eröffnete sich der wunderschöne Anblick einer traumhaften kleinen Waldlichtung. Es sah hier aus wie im Film. In der Mitte stand eine gemütliche kleine Hütte die von einer schneebedeckten Wiese umringt war. Ein kleines Bächlein plätscherte fröhlich durch die Landschaft. Zwei Rehkitze spielten mit drei flauschigen Hasen. Die Sonne schien (wirklich! auch wenn es sonst regnete, hier war strahlender Sonnenschein) und zauberte ein Glitzern auf das Bild.
Wäre da nicht dieser Gestank gewesen der von dem kleinen hutzeligen Männlein ausging dass genau in diesem Augenblick die Szene betrat. Eusebius sah aus wie eine vergammelte Wurzel. Er hatte lederne Haut und unendlich viele Falten im Gesicht und überhaupt überall. Außerdem hatte er überall borstige Haare. Er grummelte aus seinem Bart: "Hallo! Du! Bist du nicht Schorsch, der Sohn meines Bruders?". Schorsch hielt sich die Nase zu und antwortete: "Ja, der bin ich." Eusebius reichte ihm eine Cremedose und befahl ihm: "Schmier das unter deine Nase! Es wird den Gestank übertönen." Schorsch hatte ein Gegenmittel gegen seinen Körpergeruch erfunden, hauptsächlich aus Tannennadeln und Fichtenharz. Der Junge befolgte den Befehl und schlagartig roch er nur noch den Wald.
"Was führt dich also zu mir?" wollte Eusebius wissen. "Also es ist so ich plane eine große Weihnachtsfeier mit der ganzen Familie.", "Wie bitte? Mit der ganzen Familie? Du musst verrückt sein.", "Jetzt hör mir doch erst mal zu! Jedenfalls plane ich da diese Feier und deshalb wollte ich zu dir. Für eine Weihnachtsfeier brauchen wir schließlich einen Weihnachtsbaum, ja und du sitzt hier ja quasi an der Quelle.", "Da hast du recht. Einen Weihnachtsbaum könnte ich beschaffen, aber auf die Feier zu kommen das wird schwierig.", "Aber du kannst doch noch mehr von deinem Mittel machen so dass alle etwas davon abbekommen, wie wäre das?", "Na ja, ich weiß nicht... ich war schon lange nicht mehr in der Stadt!", "Bitte Eusebius, bitte!", "Na wenn du meinst, dir zuliebe werde ich am 24. Dezember einen Weihnachtsbaum für die Feier mitbringen. Wohin übrigens?", "Äh, gute Frage... Das weiß ich selbst noch nicht, aber mein Vater wird dir die Einladung schicken."
Wo kann man mit einer großen zerstrittenen Familie Weihnachten feiern? Wahrlich kein leichtes Unterfangen. Die Wohnung war zu klein. Das Haus von Tilly zu voll. Im Wald bei Eusebius? Vielleicht etwas zu kalt? Da musste er sich was einfallen lassen, aber für heute hatte er genug und ließ sich müde in sein Bett fallen.
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